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Beitrag von Marcel Herter in Insolvenz/Restrukturierung

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Regulierung hat sich das Verhältnis zwischen Unternehmen und den finanzierenden Banken deutlich gewandelt. Im Restrukturierungsfall versuchen die Kreditgeber, ihr Risiko zu minimieren und geben die Verantwortung schnell an Spezialisten ab – nicht immer zum Vorteil des Unternehmens.

Nach vielen tschaftlichen Aufschwungs nimmt die Zahl der Restrukturierungsfälle inzwischen wieder zu. Aus Bankensicht handelt es sich bei einem Unternehmen um einen Restrukturierungsfall, wenn die kreditgebende Bank einen Kreditausfall zu befürchten hat. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist die Schwelle, ab der die Kreditinstitute ein Unternehmen als Restrukturierungsfall einstufen, niedriger geworden. Zum Teil haben die Banken das Eintrittsrating neu definiert, doch schon davor gibt es verschiedene Eskalationsmechanismen, wie die Betreuung durch die Marktfolge.

Schnellerer Wechsel in der Zuständigkeit

Bei Problemen beispielsweise mit Kreditkennzahlen konnten sich Unternehmen früher vertrauensvoll an ihren Kundenbetreuer wenden. Dieser überlegte – meist gemeinsam mit dem Kunden –, wie man der speziellen Situation sowohl in der eigenen Bank als auch gegenüber anderen Kreditgebern begegnen sollte. Diese Prozesse haben sich aus verschiedenen Gründen deutlich verändert. Insbesondere haben die Banken solche Vorgänge stärker standardisiert. Die individuelle Einschätzung des Kundenbetreuers hat kein Gewicht mehr, und da generell in Banken zwischenzeitlich eher eine Fehlervermeidungskultur als unternehmerisches Denken herrscht, wird der Kundenbetreuer auch kein Risiko eingehen wollen. So kommen nun die Spezialisten für solche Fälle viel schneller zum Zuge. In diesem Augenblick spielt die möglicherweise über Jahre aufgebaute Vertrauensbeziehung mit der Bank keine Rolle mehr. Das Management muss sich das Vertrauen des Kreditgebers wieder neu erarbeiten. Die Bankbeziehung wird ab jetzt wieder neu definiert.

Wandel in den Restrukturierungsabteilungen

Die Restrukturierungs- und Workout-Abteilungen der Banken waren noch vor einigen Jahren oft ein Auffangbecken für Mitarbeiter am Ende ihrer Karriere. Dies hatte Gutes und Schlechtes: Einerseits gab es dort viele schwierige Charaktere; andererseits hatten diese Mitarbeiter oft auch viel Erfahrung und waren mitunter mutiger, wirtschaftlich sinnvolle Entscheidungen in der eigenen Bank zu vertreten und zu verantworten.

In einer Zeit, in der Regulatorik, Compliance und Risikoaversion in Banken wichtiger geworden sind als Erträge und Banker generell ein anderes Profil entwickelt haben, sind diese Abteilungen zu einer interessanten Karrierestation geworden – auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt. Dadurch arbeiten in diesem Bereich viele jüngere Mitarbeiter, deren Fokus darauf gerichtet ist, die Vorschriften der Banken penibel einzuhalten und möglichst keine Fehler zu machen, um in der eigenen Karriere voranzukommen.

Verantwortung vermeiden

Wie reduziert man die Wahrscheinlichkeit, Fehler zu machen? Beispielsweise indem man Aufgaben abwälzt: Es wird heute viel schneller nach Gutachten (insbesondere nach Standard IDW S6) gerufen als in der Vergangenheit. Dies ist aus der Sicht des Bankers nicht nur aus rechtlichen Gründen durchaus nachvollziehbar: Wenn ein unabhängiger Gutachter (den allerdings die Banken in fast allen Fällen aussuchen) der finanzierenden Bank bestätigt, dass das Unternehmen in dieser oder jener Form weiter zu begleiten ist, ist man ja selbst nicht schuld, wenn etwas schiefgeht. Das Gleiche gilt für rechtliche Fragestellungen. Dies hat zur Folge, dass hier erhebliche Kosten anfallen, gegen die sich das Unternehmen nicht wehren kann und die zu einem Problem werden, insbesondere wenn die Krise länger dauert. Wir sahen jüngst ein Unternehmen mit rund 300 Millionen Euro Umsatz, in dem seit fünf Jahren in Folge jedes Jahr Kosten zwischen 3 Millionen und 5 Millionen Euro anfielen, allein mehr als 2 Millionen Euro pro Jahr für den S6-Gutachter, für Liquiditätsreporting und für Gutachten.

Noch besser lassen sich als Banker Fehler vermeiden, indem man einfach gar keine Entscheidungen trifft. So werden Rufe nach Treuhandlösungen (an sich oft ein guter Zwischenschritt) und unabhängigen Chief Restructuring Officers (erfahrenen Managern in solchen Situationen) schneller und manchmal auch aus anderen Motiven laut als früher. Verwaltende Lösungen erscheinen oft als beste Wahl aus Bankensicht. Lösungen, in denen man Entscheidungen treffen muss, z.B. über einen Schuldenverzicht (Haircut) werden immer seltener, was die Wahrscheinlichkeit von Insolvenzen erhöht.

Was kann das Unternehmen tun? Gegen die dargestellten Entwicklungen relativ wenig. Es kann lediglich in Krisensituationen schneller reagieren. Wenn das Management mit Unterstützung der Gesellschafter selbst die notwendigen Maßnahmen einleitet und sich für den Restrukturierungsprozess früh (bevor die Banken den Prozess übernehmen) und professionell, beispielsweise mit einem eigenen, erfahrenen Debt Advisor, aufstellt, hat es die Chance, zu einem gewissen Umfang im „Driver’s Seat“ zu bleiben und auch eigene kreative Lösungen verfolgen zu können.

Beitrag ersichtlich in der UV Ausgabe August 2019

https://unternehmervertraute.de/insolvenz-restrukturierung/fuer-krisenunternehmen-wird-es-eng/